TRIZ

Kurz erklärt

TRIZ bedeutet sinngemäß übersetzt „Theorie des erfinderischen Problemlösens“. Mit dieser Methode können vorallem technische Probleme strukturiert gelöst werden.

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© digiZ Ostwürttemberg
Dr. Stephan Back, Leiter des DGQ-Regionalkreises Ulm schildert im Interview seine Erfahrungen mit der TRIZ-Methode, bei welchen Problemstellungen er die TRIZ-Methode einsetzt und was er von der Überlegung hält, ein TRIZ-Netzwerk Ostwürttemberg ins Leben zu rufen.

Expertenbericht

Systematisch vielfältige Ideen für technische Probleme erzeugen

Altmodische Strukturen, kurzfristig orientiertes Denken und zu geringe Budgets bestimmen noch immer den Entwickleralltag. Dabei gibt es längst Methoden der Produktinnovation, die zu weitsichtigem, robustem Produktdesign führen. Ein kritischer Erfahrungsbericht.
Als Assistent am Lehrstuhl für Konstruktionstechnik habe ich die Vorlesung für methodische Konstruktion betreut und bei Abwesenheit des Professors geleitet. Ich habe Studierenden beigebracht, wie man eine Konstruktion auf der „grünen Wiese“ erstellt. Wie ein Produkt in Funktionen aufgeteilt wird. Wie man mit Hilfe des morphologischen Kastens zu den Funktionen vielfältige und unterschiedliche Lösungen zusammenträgt und diese zu einem sinnvollen Gesamtkonzept verbindet. Ich schrieb meine Promotion über die Bewertung von technischen Konzepten und stellte vor, wie man die vorhandenen Bewertungsmethoden flexibel einsetzen kann, um den unterschiedlichen Detailierungsgraden im Fortschritt während der Entwicklung besser Rechnung zu tragen.
Als Entwickler für elektromechanische Schaltgeräte habe ich mich gefragt, wieso kein Entwickler in meiner Abteilung die an der Universität gelernten Methoden verwendete, um starke Konstruktionen zu entwerfen. Stattdessen wurden unsere hochstehenden technischen Innovationen immer noch wie zu Edisons Zeiten mit Brainstormings sowie Trial-and-Error erzeugt.
Ich war erschüttert, wie wenig Aufmerksamkeit die Entwurfsphase beim Management genießt. Warum geben sich Chefs mit halbherzigen, wenig systematischen und uninspirierten Entwürfen zufrieden? Falsche Grundkonzepte können nie zu einem wirklich guten Produkt führen. Als Moderator von Innovationsworkshops verblüffte mich, dass Auftraggeber und Teilnehmer diese Art des Brainstormings und -writings als ausreichend empfinden. Zu wichtigen Themen, die den Fortbestand einer Firma sichern sollen, gibt man sich zufrieden mit wildem Stochern im Dunkeln anstatt mit sinnvollen Analysen die Kernprobleme herauszuarbeiten und diese zielgerichtet zu bearbeiten.
Warum ist das so? Ich kann mir das nur mit der Trägheit des Menschen und zu geringen Budgets erklären: Wenn es nicht gefordert wird, dann mache ich es nicht. Die Methoden können noch so sinnvoll sein – wenn der Chef nicht drei gleichwertige Lösungen sehen will, wieso sollte ich das dann machen? Ein Minimum an Aufwand – für mehr wird nicht bezahlt.
Dabei gibt es sehr gute Methoden, die Entwickler in ihrer Tätigkeit hervorragend unterstützen können. Eine meiner Lieblingsmethoden ist die TRIZ – die Theorie des erfinderischen Problemlösens.


Erlernbarer Ideenreichtum

Die Grundidee, die hinter dieser Theorie steht, ist so einfach wie genial: Es ist ein Re-Engineering erfolgreicher Erfinder. Genrich Altschuller, der Begründer dieser Theorie, sollte anderen das Erfinden beibringen. Daher arbeitete er eine immense Menge an Patenten durch und suchte nach wiederkehrenden Mustern. In jedem Patent wird ein Stand der Technik und die Neuerung durch das Patent beschrieben. Altschuller suchte diese Eckpunkte und analysierte, was dazwischen passiert war. Wie kam der Erfinder vom Stand der Technik auf die Neuerung? Welchen Denkmustern folgte er?
Diese Untersuchung führte zum ersten Tool im umfangreichen TRIZ-Werkzeugkasten: den Innovationsprinzipien. Mittlerweile kennt man 40 Innovationsprinzipien, die den untersuchten zig-tausenden Patenten zugrunde liegen. Nur 40! Im Umkehrschluss kann nun ein Entwickler, der vor einem technischen Problem steht, diese Innovationsprinzipien als Vorschläge nutzen, um auf deren Basis Ideen, Lösungen und Konzepte zu entwickeln. Und das geht noch wesentlich zielgerichteter, wenn man zur Formulierung der eigenen Aufgabenstellung den technischen oder physikalischen Widerspruch heranzieht. Auch das sind Entwicklungen aus der TRIZ. Damit kann man eine sinnvolle Vorauswahl aus den Innovationsprinzipien treffen. Im Prinzip vergleicht man die eigene Problemstellung mit allen bisher untersuchten Problemstellungen weltweit. Hat man dann ein ähnliches Problem, dann sollten auch die ähnlichen Prinzipien greifen.
Neben den 40 Innovationsprinzipien wurden in der TRIZ auch die funktionsorientierte Suche, die 76 Standardlösungen und der Algorithmus des erfinderischen Problemlösens entwickelt, um gezielt Ideen generieren zu können. Der TRIZ-geschulte Entwickler „brainstormt“ also nicht mehr spontan, sondern sehr zielgerichtet mit dem Fokus eng auf der zu bewältigenden technischen Aufgabe.
Aber was ist die richtige technische Aufgabe, der man sich widmen sollte? Welche der vielen Herausforderungen sollte man mit dieser massiven Problemlösungsmethode angehen? Vor diesem Problem standen auch die Entwickler der Theorie und haben Analysemethoden in den Baukasten der TRIZ implementiert, welche die notwendige Vorarbeit leisten, um die richtigen Fragestellungen wählen zu können.

Eine gute Analyse ist die halbe Lösung

In meiner Tätigkeit als Entwicklungsingenieur stellte ich schnell fest, dass die meisten „Neuentwicklungen“ gar keine sind. Man konnte nie auf der „grünen Wiese“ anfangen. Immer war da ein Vorläuferprodukt oder man musste zumindest rückwärtskompatibel sein. Deshalb setzt die Funktionsanalyse bei TRIZ genau dort – beim bestehenden (Vorläufer-)Produkt – an. Es untersucht dessen funktionalen Aufbau im Detail und leitet daraus, je nach Betrachtungsweise, Aufgabenstellungen für eine inkrementelle Verbesserung des Systems ab, oder solche, welche es im Wert steigen lassen. Will man nach radikaleren Innovationen streben, wird das Produkt mit der Methode des „Trimmens“ seziert: Bauteile und -gruppen werden entfernt, ohne dass die Funktionalität des Gesamtsystems darunter leidet. Alleine dieser Vorgang führt oft schon zu überraschenden und neuartigen Ideen. Will man es anschließend noch genauer wissen, geht man tiefer in die Probleme hinein, indem Ursache-Wirkungs-Ketten gebildet werden und Kern- und Schlüsselprobleme gefunden werden, welche es wert sind, gelöst zu werden.

Einfache, robuste und kostengünstige Lösungen

In der tatsächlichen Problembearbeitung steht die Analysephase vor der Kreationsphase. Zunächst wird das Problem betrachtet und untersucht. Hat man es verstanden, kennt man die besten Ansatzpunkte für eine Produkt- oder Prozessverbesserung. Um dann ideenreich in verschiedenste Richtungen denken zu können, helfen die Methoden der Kreativphase. Sie lassen Entwickler doppelt bis dreifach so viele Ideen in der gleichen Zeit produzieren. Aus diesen kann im nächsten Schritt das Gesamtkonzept entstehen. Ein Gesamtkonzept, das oftmals durch seine schlichte Eleganz besticht. Durchdachte Lösungen sind einfacher, robuster und kostengünstiger.
Ich hoffe, dass sich die Methode TRIZ bald noch stärker durchsetzt und man sich die Vorteile, die man durch TRIZ erarbeiten kann, systematisch zunutze macht.


Autor

Adunka
Als Entwickler bei der Siemens AG spezialisierte sich Dr. Robert Adunka im Bereich der methodischen Produktentwicklung. 2014 wurde er der erste deutschsprachige TRIZ-Master und ist heute Senior MATRIZ adviser für Europa.
Er ist Geschäftsführer der TRIZ Consulting Group GmbH, Mitautor von 124 erteilten Patenten und hat zahlreiche Veröffentlichungen zum Thema TRIZ publiziert.

Erfahrungsberichte zum Thema

Im Interview:

Wichert
Philipp Wichert
Innovation Manager
 
Dr. Zwissler Holding AG

Wie sind Ihre Erfahrungen mit der TRIZ-Methode?

“Nachdem ich an einigen TRIZ-Workshops teilgenommen habe, absolvierte ich 2017 den MATRIZ Level 1 Lehrgang bei Dr. Adunka. Seitdem führe ich auch selbst Workshops durch und nehme weiterhin daran teil.
Die Methode wirkt, ganz offen gesagt, zu Anfang etwas sperrig und bürokratisch mit den strengen Abläufen, Tabellen und Prinzipien. Die Eingewöhnung geht aber sehr schnell und nach kurzer Zeit fließen die Ideen. Wie man beim Befolgen der Abläufe regelmäßig neue Denkanstöße und Inspirationen bekommt ist immer wieder beeindruckend.
TRIZ erfordert also etwas Disziplin und Aufgeschlossenheit der Teilnehmer am Anfang, diese zahlen sich aber immer aus. Hat man es eilig, hilft es daher, wenn alle Teilnehmer bereits Erfahrung mit TRIZ haben.
Als echte interdisziplinäre Methode ist es besonders erfolgversprechend Experten aus verschiedenen, gerne auch weit entfernten Disziplinen einzubeziehen.”

Bei welchen Problemstellungen setzen Sie die TRIZ-Methode ein? Ist dabei schon ein neues Produkt entstanden?

“TRIZ wurde ursprünglich für technische Aufgabenstellungen konzipiert und entfaltet meiner Meinung nach hierbei seine ganze Stärke. Ich durfte auch schon Ansätze für Geschäftsmodelle oder Services erleben, fand es bisher aber etwas holprig. Natürlich lasse ich mich sehr gerne vom Gegenteil überzeugen.
Während meiner vorherigen Tätigkeit konnten einige vielversprechende Ideen mit TRIZ generiert und daraus Lösungen entwickelt werden. Seit etwas mehr als einem Jahr bin ich bei der Dr. Zwissler Holding AG mit dem Aufbau des strategischen Innovationsmanagements für beide Konzernteile zwissTEX und zwissSUN betraut. Leider bin ich daher noch nicht dazu gekommen, TRIZ operativ umzusetzen. Allerdings sehe ich großes Potential, insbesondere in der Erweiterung des Anwendungsspektrums unserer Kompetenzen in technischen Textilien.
Ganz grundsätzlich glaube ich, dass eine intensive Nutzung von TRIZ strukturiertes und interdisziplinäres Denken sowie Abstraktionsfähigkeit schult. Davon können praktisch alle Arbeitsbereiche profitieren.”

Empfehlen Sie den Einsatz der TRIZ-Methode und unterstützen Sie das Vorhaben, ein TRIZ-Netzwerk Ostwürttemberg ins Leben zu rufen?

“Ich halte TRIZ für einen sehr leistungsfähigen Methodenbaukasten mit verschiedenen Anwendungsmöglichkeiten. Neben meinen guten Erfahrungen im Produktentwicklungsprozess kenne ich erfolgreiche Beispiele z.B. aus der Patentgenerierung oder Patentumgehung.
Wie oben erwähnt finde ich, dass Workshops mit fachfremden Experten die besten Ideen bringen. Daher würde ich mich über eine weitere Verbreitung in der Region und ein strukturierter Austausch über ein regionales TRIZ-Netzwerk sehr freuen und bin schon gespannt auf neue Inspirationen.”