DIGITALISIERUNG

GEMIMEG.II Die digitale Transformation des Kalibrierwesens

Bisher sind die Kalibrierzertifikate einfache Dokumente, die vorwiegend noch in Papierform und zum Teil als signiertes pdf-Dokument vorliegen. Das ist in einer digitalen Welt mit Industrie 4.0, Internet der Dinge (IOT) oder der modernen Medizin ungeeignet.
Im GEMIMEG-II Projekt soll nun ein Konzept und ein Weg entwickelt werden, wie diese Kalibrierzertifikate optimal in die digitale Welt überführt werden können. Dabei bietet die Digitalisierung massive Vorteile, wenn nicht nur bestätigt wird, dass z.B. ein Maßstab wie ein Messschieber mit den Anforderungen der Norm übereinstimmt, sondern auch alle bei der Überprüfung in den Messungen der Kalibrierung gewonnenen Messwerte dann auch für die weitere Anwendung als digitale Information unmittelbar zur Verfügung stehen. Dazu muss das neue digitale Kalibierzertifikat maschinenlesbar sein. Es ist wichtig, dass Messwerte, Messfehler und auch Einheiten richtig gelesen und eindeutig zugeordnet werden können. Erst dann kann ein Computersystem aufgrund der Kalibrierinformation selber Aktionen ausführen, wie z.B. eine automatische Korrektur von Messwerten. Das ermöglicht eine sich selber optimierende Produktion, die automatisch den Ausschuss reduzieren kann, ohne präziser fertigen zu müssen.
GEMIMEG-II hat ein Konsortium aus 13 Partnern geschmiedet, die für drei Jahre an dem Thema arbeiten. Mit einem Projektvolumen von 18 Mio Euro ist es ein Leuchtturmprojekt des Bundeswirtschaftsministeriums.

Die Forschungsinhalte im Projekt
Das GEMIMEG-II Projekt beschäftigt sich mit dem Aufbau und den Inhalten des Digitalen Kalibrierzertifikates. Dabei dient das internationale System der Maßeinheiten in digitaler Form als Grundlage. Ferner müssen auch digitale Technologien einerseits entwickelt werden, dass einzelne Sensoren oder Sensorsysteme automatisch erkannt werden können und eine sichere Kommunikation möglich wird. Hierfür werden digitale Vertrauensdienste und sichere Verschlüsselungen der Kommunikation und Daten benötigt. Ein weitere Forschungsschwerpunkt ist die Qualität der gemessenen Sensorwerte (QoS: Quality of Sensing), der daraus ermittelten Daten (QoD) und der aus Daten abgeleiteten Informationen (QoI). Ein Beispiel dazu wäre die Messung der Betriebsspannung eines Akkus und des entnommenen Stromes als QoS, sowohl die verbleibende Kapazität (QoD) als auch eine Restlaufzeit (QoI) werden daraus berechnet. Wir kennen das von Smartphones oder Laptops, die uns solche Werte näherungsweise anzeigen. In künftigen digitalen Messumgebungen wird eine MesstechnikerIn seltener persönlich eingreifen können. Damit werden Kennzahlen über die Qualität der Sensorwerte, Daten oder Informationen eine hohe Bedeutung zukommen. Das ist dann besonders wichtig, wenn Messgrößen nicht mehr unmittelbar erfasst, sondern über Datenfusion, künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen virtuelle Sensoren erstellt werden, die auf die Messwerte und Daten zugreifen und in geeigneter Weise auswerten.

Der Praxistest
Die Forschungsergebnisse von GEMIMEG-II sollen in 5 realistischen Anwendungsfällen, den sog. Realbeds, getestet werden. Eines ist ein Drehmoment Messnormal für Windkraftanlagen für 20 MNm, das bei der PTB entsteht. Das Realbed Fabrik der Zukunft wird am digiZ-Standort in Aalen aufgebaut. Zwei weitere Realbeds entstehen für die Pharma- und Prozessindustrie als sehr sicherheitskritische deutsche Schlüsselindustrie. Das fünfte Realbed ist zur Mobilität mit autonomem Fahren. Die Uni Kassel befasst sich als Projektpartner mit der Frage, ob die neuen digitalen Lösungen den rechtlichen Anforderungen an das Mess- und Kalibrierwesen genügen und die Kalibrierzertifikate im Schadensfall ein gerichtsbeständiger Nachweis sind. So soll die Anwendbarkeit der neuen Technik umfassend gezeigt werden.
GEMIMEG-II und digiZ
Der GEMIMEG-II Demonstrator für die Fabrik der Zukunft soll die Funktionalität und Anwendung des neuen Ansatzes der vollständigen und durchgängigen Digitalisierung für die Messtechnik und das Kalibrierwesen vor Ort zeigen. Am Realbed unter der Leitung von Bosch sind zudem Bosch.io Deutsche Telekom Security, digiraster, Fraunhofer HHI, Samson KT-Electronic, PTB, Siemens, die Universitäten Siegen und Kassel und Zeiss beteiligt. Das digiZ der IHK Ostwürttemberg und der Landkreise Ostalbkreis und Heidenheim ist als assoziierter Partner am Projekt beteiligt und stellt GEMIMEG-II eine bespielhafte Infrastruktur für den Aufbau des Realbeds zur Verfügung. Das digiZ ermöglicht den Austausch mit anderen Forschungsprojekten wie z.B.  FabOS und der SCALEit Genossenschaft. So konnte Ende September 2021 ein erstes Abstimmungstreffen im kleinen Kreis zwischen FabOS und GEMIMEG-II erfolgen, um grundlegende Themen wie die Software-Architektur aufeinander abzustimmen und so die Kompatibilität der angestrebten Ergebnisse sicher zu stellen. Das Realbed ist bereits im Aufbau, erste Komponenten der Partner sind funktionsfähig im digiZ.

Autor: Dr. Thomas Engel